Der Thallium-Skandal von 1979

Nachdem 1978/79 im Umfeld der Zementfirma Dyckerhoff in Lengerich Kaninchen und Schafe verendet waren und das Laub von Bäumen sich vorzeitig verfärbte, wurde 1979 nach entsprechenden Untersuchungen das Schwermetall Thallium als Verursacher festgestellt. Es stammte aus den Schloten des Dyckerhoff-Werkes, wo es als Bestandteil von Schwefelkies seit 1975 für die Herstellung bestimmter Zemente enthalten war. Laut einem Bericht des SPIEGEL vom 3.9.1979 waren der Dyckerhoff-Werksleitung schon mindestens ein Jahr vorher die Probleme aufgefallen, ohne dass offensichtlich die zuständigen Behörden verständigt worden wären. Der Skandal hat damals sogar den Landtag beschäftigt. Denn immerhin war das BImSchG erst fünf Jahre zuvor verabschiedet worden und befand sich noch in der "Bewährungsphase".

Aber auch 35 Jahre später ist das Thema "Thallium" noch keineswegs abgeschlossen, wie die aktuellen Auseinandersetzungen zeigen.

Müllverbrennung

Auch wenn jetzt genau 20 Jahre vergangen sind, muss an dieser Stelle daran erinnert werden, dass und warum das Münsterland sich seinerzeit erfolgreich gegen den Bau von geplanten zwei Müllverbrennungsanlagen (MVA) wehren konnte. Und dies trotz aller Pressionsversuche von Seiten des Müllverbrennungsministers Matthiesen, des Regierungspräsidenten Schleberger, des abfall-industriellen Komplexes der damals noch sehr munter existierenden Vereinigten Elektrizitätswerke (VEW), manipulierter Gutachten und Stellungnahmen, millionenschwerer PR-Aktionen der Verbrennungslobby und - last but not least - des unermüdlichen Agierens der "Deutschen Projektunion" (DPU) - in Gegnerkreisen auch gerne "Das Peinliche Unternehmen" genannt - des SPD-Bundestagsabgeordneten Reinhard Schultz (Warendorf), das mit der Standortsuche beauftragt war.

Der "VEW-Komplex": Die teilprivatisierten Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen als Regionalversorgungsmonopol hatten sich 1990 um diverse weitere Geschäftsfelder aufgebläht. Die Harpener war z. B. mit der Grunstücksbeschaffung für die MVA befasst. Der damalige Oberkreisdirektor des Kreises Steinfurt, Hoffschulte, war im VEW-Beirat (so wie viele andere Kommunalvertreter). Im Jahr 2000 erfolgte die Fusion mit den Rheinischen Elektrizitätswerken RWE ("veRWErflich"). Seitdem existieren die VEW nicht mehr.
Mit 6.500 TeilnehmerInnen war die Demonstration in Reckenfeld die Größte, die das Münsterland bis dahin gesehen hatte. Neben den Vertretern der Umweltverbände und Initiativen sprach auch die damalige Landtagsabgeordnete (und gut ein Jahr später Umweltministerin) Bärbel Höhn.

Die "Unbotmäßigkeit" der Stadt Münster

Obwohl der Regierungspräsident Schleberger Alles daran setzte, die Stadt Münster in Richtung Müllverbrennung negativ zu beeinflussen (wie das ja auch schon "erfolgreich" mit den Kreisen Steinfurt, Borken und Coesfeld geschehen war), blieb der Rat der Stadt nach langen sowohl innerparteilichen (CDU, SPD) als auch zwischenparteilichen Auseinandersetzungen auf Linie: Am 15.6.1994 beschloss er einstimmig (!), keine MVA zu bauen bzw. sich an einer solchen zu beteiligen.

Ein geradezu historischer Beschluss, der auch die Umlandkreise beeinflusste und nach nunmehr 20 Jahren noch immer seine Richtigkeit hat! (Westfälische Nachrichten)
In der Münsterschen Zeitung wird deutlich auf den Konflikt mit dem Regierungspräsidenten abgehoben.

Es vergingen noch zahlreiche Protestaktionen, Eingaben und Gutachten, bis die "Front" aus den Umweltverbänden und Bürgerinitiativen des Münsterlandes das primäre Ziel erreicht hatte: Kein Bau einer MVA in den Münsterland-Kreisen.

Wie recht wir damals hatten mit den allermeisten Argumenten gegen die Müllverbrennung, zeigt sich recht bald, als die ersten dieser Anlagen wegen fehlender Auslastung auf "Müllsuche" gingen. Zwar blieben die Münsterland-Kreise letztlich nicht ganz von der Verbrennung ihrer Restabfälle (außerhalb des Münsterlandes und in der Zementindustrie) verschont, weil nur die Stadt Münster eine "kalte" Behandlungsanlage gebaut hatte.

Presseausschnittsammlung von Ende 1993
Presseausschnittsammlung aus 1994


Seite 1 (von 4) der von den Umweltverbänden und zahlreichen Bürgerinitiativen des Münsterlandes in einer Auflage von 250.000 Exemplaren in A3 gedruckten "Müllzeitung" im Januar 1994. Viele Bürger und auch einige Parteiuntergliederungen der Grünen haben damals für den Druck gespendet. Dank vieler ehrenamtlicher Helfer nicht nur aus den Umweltverbänden und Initiativen, sondern auch mancherorts aus einigen Parteien (Grüne natürlich, aber vereinzelt auch SPD [vor allem Jusos] und sogar einmal FDP!) konnte diese Viertelmillion auch tatsächlich an viele Haushalte des Münsterlandes verteilt werden. Es war ein Kraftakt für Alle!

Abfallbehandlungskonzept der LNU von Marion Ernsting und Wolfgang Föste (GNU=Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz Gütersloh)
Auch einige Kreisgruppen des BUND hatten schon frühzeitig die Mühe auf sich genommen, eigene Abfallwirtschaftskonzepte zu entwerfen, wie hier für den Kreis Steinfurt
Das Gegenstück für den Kreis Warendorf (der sich dann auf die Müllverbrennung in der Zementindustrie kaprizierte!).
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